Käsefinger

Manchmal hat man das, was bei „Greg’s Tagebuch“ unter „Käsefinger“ bekannt ist – irgendwas hochansteckendes, womit alles, was man anfasst, automatisch „infiziert“ wird. In technischen Dingen hat das i.d.R. bunte Fehlfunktionen zur Folge. Aber der Reihe nach.

Vor einigen Tagen erhielt ich ein Paket eines guten Bekannten, der mir schon vor längerer Zeit eine bei ihm noch lagernde Antiquität avisiert hatte. Ich war einigermaßen gespannt, habe ich doch schon so einige Maschinen aus der jüngeren Geschichte von „irgendeiner Sache mit Obst“ (© Forrest Gump) angehäuft. Aber sowas halt noch nicht. Was dann ankam, war dieses hier:

Zur Erklärung: „Dieses hier“ ist ein PowerBook 140 und somit ein historischer Vorfahr moderner MacBooks – mit 68030 CPU und – nach erstem Augenschein – 2MB RAM sowie einer unglaublich seltenen und unglaublich lauten Conner CP2045 – das ist eine 2,5“ „Fullheight“ (ja, das Ding ist ein kleines Brikett) SCSI(!)-Festplatte. Mit dabei waren – nicht angekündigt und umso erfreulicher – drei Original-Akkus (denen man nach 28 Jahren vielleicht nicht mehr viel zutrauen sollte) und ein (angekündigterweise) defektes Netzteil. Gut, wäre das erste Mal, dass mich sowas entmutigt.

Das PowerBook verlangt nach moderaten 7,5V Gleichstrom und der Stecker ist kein Hexenwerk, jedes einigermaßen regelbare „3rd-Party“-Netzteil sollte das hinkriegen. Wenn man’s denn findet (jaja, der Chaos-Keller…) – aber gut, es ward gefunden, angeschlossen, und nach einigen Versuchen jaulte der vertraute Startup-Chime des Mac auf und die Beleuchtung des Displays ging an.

Allerdings leider auch nur die – es ließ sich nicht wirklich nachvollziehen, ob die Anzeige „weiß“ bleibt oder ob sie (mit schlechtem Kontrast) „schwarz“ darstellen sollte – jedenfalls änderte sich auch nach mehreren Versuchen und SMC/PRAM Resets nichts. Schade eigentlich. Vor allem, weil sich nach einiger Zeit zeigte, dass zwei der drei Akkus tatsächlich Ladung annahmen und auch hielten (wenn auch nicht lange).

Einige Recherchen ergaben, dass sich bei diesen Geräten im Laufe der Zeit gerne die (zahlreich verbauten) Elkos verabschieden, und gerade das beobachtete „Boot“-/Displayverhalten für einen entsprechenden Fehler spricht. Gleiches gilt übrigens für das Netzteil-Brikett, das erstaunlich leicht ist, und in dem 3-4 ausgelaufene Elkos schlummern dürften. Reparaturanleitungen gibt’s zuhauf im Netz, für einen Löt-Legastheniker allerdings eine Herausforderung.

Tags drauf bei einem erneuten Startversuch schlug der Käsefinger zu: Offenbar hatten sich nun auch die übrigen Elkos die Karten gelegt, denn nun startet das Gerät überhaupt nicht mehr. Kommt bei antiker Hardware natürlich vor und ist vmtl. reparabel, hat aber weiteren Versuchen vorerst den Riegel vorgeschoben. Mal sehen…

 

Kurz darauf stolperte ich in einer bekannten Anzeigenplattform (die zu einem noch bekannteren Internet-Auktionsanbieter gehört) über ein echtes deja vu („Haben Sie manchmal deja vus, Mrs. Lancaster?“ – „Ich weiß nicht, aber ich kann ja mal in der Küche nachfragen…“). Anno 1990 oder so hatte ich mir für’s Studium meinen ersten PC (ja ich weiß – das war schon damals eigentlich sowas wie käsefingerbehaftet) angeschafft – einen 12MHz 80286, sog. „Baby-AT“ weil das Board vergleichsweise kompakt war und verpackt in ein recht schlichtes „weißes“ (was man so weiß nennt) Gehäuse. Die Büchse kam mit einem schwarzen 5,25“ HD Diskettenlaufwerk, MFM/Floppy-Controller, dem üblichen Seriell/Parallel-Gehopse und einer billigen Hercules-kompatiblen „Grafikkarte“. Was man eben so damals für einen empfohlenen VK von 1199 D-Mark erwarten konnte… Via Hobbytronic nachgerüstet kamen noch eine ST251 (40MB – „Sea gate… sea gate nicht… sea gate…“) und eine der ersten erschwinglichen VGA-Karten rein und fertig war die Laube. Eher ungewöhnlich ist dann, nach 30 Jahren das hier zu finden:

Kein Quatsch. Das ist tatsächlich original das gleiche Modell, das ich damals hatte – mit exakt den gleichen Standard-Karten (nur die VGA war ’ne etwas andere aber das ist nun wirklich relativ egal). Der Anbieter hatte sogar noch den gleichen 14“ „Glaskugel“-Monitor dazu, aber ich wollt’s dann mit der Nostalgie doch nicht übertreiben. Jedenfalls habe ich dieses Ding für einen sehr moderaten Kurs „geschossen“ – zusammen mit einer illustren Diskettensammlung die aber mehr „Beleg-Charakter“ hat („mit sowas haben wir damals Daten ausgetauscht“). Und die Platte lärmt noch genaus wie damals…

…wenn sie denn geneigt ist. Ich will nicht meckern – im Gegensatz zu einer Kollegin von ihr (komme ich noch zu) dreht sie zumindest immer hoch und mit zahnschmerzendem Geräusch auch wieder runter; problematisch war eher die Sache mit dem Booten, quittierte der PC doch jeden Einschaltversuch mit dem charakteristischen Doppel-Pieps (CMOS Checksum Error) – kein Wunder, wo der Mainboard Akku hingehört war eher ein Häufchen Säurekruste. „Gar schaurig ist’s…“

Glücklich, wer im Uralt-Award-BIOS die richtige ID für die Festplatte noch auswendig weiß (Typ 40), und komischerweise meldete die Kiste die Batterie sogar als „ok“ (vmtl. im Sinne von „da ist irgendwas entfernt leitfähiges zwischen die Kontakte gelötet“) – aber jeder Power-Cycle führte natürlich wieder zu zerlegten CMOS-Einträgen. Egal, gibt Schlimmeres. Käsefinger z.B.

Zunächst gibt’s aber für Liebhaber alter Gerätschaften, die nicht unbedingt von „Markenanbietern“ mit einem entsprechenden Dokumentationsfundus stammen, Informationsquellen im Netz – eine davon (für frühe PC Clones ausgesprochen wichtig) ist stason.org – und dort fand ich dann auch die komplette Beschreibung „meines“ AT-Mainboards. Prima – ich wusste noch, dass es dort die Möglichkeit zum Anschluss einer externen Batterie gab – wenn man jetzt nur noch wüsste, wo man ’ne externe Batterie herbekommt…

„In jenen Tagen bevor die Ozeane Atlantis…“ – äh, Quatsch, wir sind hier nicht bei Stan Lee – aber in den Tagen bevor Mainboards üblicherweise mit CR2032-Knopfzelle kamen, war meist ein Päckchen aus 1,2V-Knopfzellen verbaut, im allgemeinen blau eingeschrumpft und mit Lötfahnen auf dem Board festgebraten. Versteinerter Heißkleber inclusive. Die Standardgröße waren 3 Zellen = 3,6V. Denkste. Dieses Board hat ein Viererpack. Fängt ja schonmal gut an. Noch besser ist, dass die Boards in der guten alten Zeit oftmals mit beigepacktem Batteriehalter für 1,5V-AA-Zellen („Mignon“) kamen. Ich hatte mal einen großen Vorrat davon. Wieviele davon finde ich aktuell im Keller? Genau, zero, null, nada, nüschte… verflixt!

Was ich aber noch hatte waren – lange abgelaufene – 1,5V-Knopfzellen. Haufenweise. Ein paar davon führten noch soviel Spannung, dass ich ermutigt war, zu basteln. Also drei davon zusammengepackt, vorn und hinten eine Litze mit Pfostenstecker dran und das ganze fest mit Klebeband umwickelt. Abenteuerlich, warf aber lt. Multimeter gut 4,5V aus – hätte ja klappen können. Jumper auf „externe Batterie“ (die bei diesem Board zuverlässig _nicht_ geladen wird – das haben damals einige Boardhersteller auch anders gehandhabt) und Testlauf… …war nix. Board meint „Battery… FAILED“. Konsequent. Taugt also nix. Käsefinger?

Wir wechseln zum „Großen Fluss“ und suchen nach einem passenden Akku – normal würde man dafür die einschlägigen Elektronikversender (bei denen ich ja auch Kunde bin) frequentieren, aber da gibt’s schon kaum mehr die 3,6V-Packs, von 4,8V ganz zu schweigen. Genau _einen_ Anbieter gab’s (auf Bezos seinem Marktplatz), der Preis war moderat, der Versand für umme… also bestellt. Marktplatz – keine Versandvorteile und so… nunja, von deutschem Händler für versandkostenfrei darf man bei 1 Woche Lieferzeit nicht so kleinlich sein.

Immerhin kam dann ein hübsches grün eingeschrumpftes NiMH Akkupack, Rasterabstand der Lötfahnen passte, also alles zerlegt, das alte Brateisen rausgekramt und das Säuredebakel entsorgt. Anschließend den betroffenen Bereich großzügig in Isopropanol gebadet (eindeutig weniger hautfreundlich als das bekannte Spülmittel im Nagelstudio) und den neuen Akku aufgebacken. Heißkleber schenken wir uns. Montiert, eingeschaltet… Battery… FAILED! Echt jetzt?

Just kidding, das war wohl die initiale Feststellung weil der Akku nur marginal vorgeladen war – nach CMOS Einstellung und einer Stunde Testlauf war alles in Butter, seitdem hält das CMOS auch die Werte. Was nicht funzt, und da verlässt mich die Erinnerung, ist die integrierte Uhr. Schon bei Einstellung der CMOS-Parameter tut sich da nichts. Für so eine Antiquität sicherlich ein nachrangiges Problem aber man fragt sich dann doch… ggfs. hat da doch etwas mehr in der Gegend rumgeätzt – ich hab da noch einen Amiga 2000, der kennt da was von.

Für den letzten im Bunde der Käsefinger-Fälle muss ich auf ein bekanntes Foto zurückgreifen – und zumindest partiell bewegen wir uns im Amiga-Kontext:

Jup, ich hab mal wieder ein wenig weiter gebastelt. Mit abenteuerlichen Seiteneffekten. Eigentlich wollte ich nur etwas diskettenschonender unterwegs sein und hatte versucht, für den Amiga 1000 ein Kickstart-Adapter aufzutreiben – also eine Möglichkeit, ein „echtes“ Kickstart-ROM in den Rechner zu verpflanzen um den ersten Disketten-Boot-Schritt auszumerzen.

„Leider“ hatte der Anbieter noch ein paar andere Spielereien im Angebot, so dass die Bestellung etwas größer ausfiel – u.a. war eine RAM/IDE-Karte dabei, die zusammen mit dem Kickstart-Adapter einen hübschen kleinen Turm ergibt – der Einbau war auch eher keine große Herausforderung, und da Abschirmbleche schon immer was für Sissis waren, ist es auch nicht tragisch, dass das nicht mehr rein passt.

Tragischer war, dass durch die großzügig bemessene RAM-Karte (8MB!) der Adressbereich des Sidecar blockiert wurde und dieses nicht mehr ansprechbar war. Die Wahl bestand folglich darin, mit kompletter RAM-Erweiterung und ohne Sidecar oder komplett ohne RAM-Erweiterung mit Sidecar zu booten. Suboptimal aber verschmerzbar… …bis der Käsefinger zuschlug und sich die RAM-Karte dieselbe(n) legte, nämlich die Karten. Aktuell befindet sie sich auf dem Weg zum Onkel Doktor denn vmtl. hat sich das ROM der Karte zerlegt. Kann ja mal vorkommen.

Trotzdem nicht entmutigt wollte ich dann heute nochmal nach der mit dem Sidecar erhaltenen Western Digital „FileCard“ schauen (ein schwarzes Blechteil mit MFM-Controllerkarte und 3,5“ Fuji 20MB Platte). Diese hat noch einen guten alten seitlich montierten Steppermotor, der sich durch eine gewisse Unwilligkeit auszeichnet. Da es im Netz genügend Anleitungen gibt, wie durch behutsame Schmierung der Lager solche Stepper wieder zu etwas mehr Kooperationsbereitschaft gebracht werden können, wollte ich das auch antesten. Sah auch erst ganz gut aus – die Platte lief an und das Sidecar bootete sogar davon. Tja, „Wenn einer, der mit Mühe kaum…“ (‚tschuldigung, Herr Busch) – die Platte hatte noch eine uralte Partitionierung die ich irgendwie so nicht lassen wollte – also Format-Routine des Controllers aufgerufen, Platte genullt, und anschließend DOS-Diskette rein um neu zu starten…. „Boot disk error“… da isser wieder, der olle Käsefinger.

Ich hatte genau eine originale Boot Diskette für das Sidecar. Das alleine ist ja schon nicht ohne Risiko, die Lagerung derselben wohl auch nicht. Eine weitere – nicht bootfähige – Diskette wurde brav als solche erkannt („Non System Disk“ – wir kennen das)… aber man hat ja grad eine große Kiste alte Plastikscheibchen bekommen… da muss doch…

Jau. War. Compaq MS-DOS 3.31 – kann man mal nehmen. Oder auch nicht, „Boot disk error“ auf französisch hatte ich noch nicht, nun schon. Das ließ nichts Gutes ahnen. Der Probelauf mit den vorhandenen Boot-Medien im o.g. AT bestätigte: Die Dinger sind okay, sie booten normal durch, keine Schreib/Lesefehler. Es scheint, als hätte sich im Zuge des aktuellen Gebastels das gute alte und quasi unkaputtbare Chinon-LW des Sidecar zerlegt. Das würde ich jetzt gern verifizieren, aber dazu müsste ich a) Sidecar Nr. 2 aus der Versenkung ausgraben und b) beide Geräte zerlegen. Angesichts der doch recht auffälligen Käsefinger-Quote in letzter Zeit dann wohl doch eher etwas für später…

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